Philipp Oberladstätter
Philipp Oberladstätter

Philipp Oberladstätter, 36 aus Alpbach hat unsere Fragen zur Bergrettung beantwortet. Er ist selbständiger Controller, Vizebürgermeister von Alpbach und Bergretter.

Mogasi: Wie wird man Bergretter? Gibt es einen bestimmten Schlag Menschen, die sich das antun (wollen)?

Oberladstätter: Die Leidenschaft zu den Bergen und zum Bergsport sind neben einer Portion Idealismus und Kameradschaftssinn die Grundvoraussetzungen. Wir Bergretter sind ein bunter Haufen, aber diese Eigenschaften verbinden uns.

Mogasi: Wie sieht der Ausbildungsweg aus? Was sind die Grundvoraussetzungen, um ein Bergretter oder eine Bergretterin zu werden?

Oberladstätter: Man muss zuerst ein Jahr als Anwärter in einer Ortsstelle dabei sein. Dort wird man auf die zwei Aufnahmeprüfungen vorbereitet. Gewisse Fähigkeiten wie Klettern oder Schifahren setzt aber auch die Ortsstelle voraus. Danach sind ein Winter-, ein Sommer- und ein Sanitätskurs mit Abschlussprüfungen zu absolvieren. Es vergehen mindestens 2 Jahre, bis man sich Bergretter nennen darf.

Mogasi: Wie oft werden Fortbildungen durchgeführt bzw. müssen durchgeführt werden? Wo werden diese Fortbildungen abgehalten?

Oberladstätter: Jeder Bergretter muss an mindestens sechs Übungen pro Jahr teilnehmen. Zusätzlich bietet die Landesleitung Fortbildungs- und Vertiefungskurse im Ausbildungszentrum im Jamtal an. Das Ausbildungszentrum kann man sich wie einen riesigen „Spielplatz“ für Bergretter vorstellen mit Eiskletterturm, Gondeln für Abseilübungen, Boulderfelsen, Kletterrouten, Gletscherspalten, LVS-Suchstationen und vielem mehr.


Mogasi:
Wie verhält man sich richtig, wenn man in Bergnot gerät? Wann sollte man einen Notruf absetzen? Welche Notrufnummer(n) sollen gewählt werden bzw. im Telefon gespeichert sein?

Oberladstätter:
Die österreichische Bergrettung kann man unter der Notrufnummer 140 anrufen, sobald man sich oder seinen Kameraden nicht mehr selber helfen kann. Prinzipiell sollte man nicht zu lange warten, weil sich bei Tageslicht viele Notsituationen leichter lösen lassen. Man sollte aber auch anrufen, wenn man versehentlich eine Lawine ohne Verschüttete ausgelöst hat. Diese Infos helfen uns, sollte später ein Notruf eingehen. Übrigens gibt es auch eine Notrufapp „SOS EU Alp“ mit vielen praktischen Features. Die sollte jeder Bergsteiger haben.

„Eine Lawine ist immer eine enorme Stresssituation für jeden Bergretter. Die Gefühle kommen erst nach dem Einsatz.“ Philipp Oberladstätter

Mogasi: Die Bergrettung rückt oft spätabends oder in der Nacht aus. Die körperlichen Strapazen sind oft enorm. Ist man vor dem ersten Einsatz darauf vorbereitet, kann man diese Situationen überhaupt vorbereiten?

Oberladstätter: Unsere Ausbildung und die vielen Übungen mit den Kameraden in der Ortsstelle sind eine sehr gute Vorbereitung. Und man darf nie vergessen: man ist ja nicht alleine im Einsatz!

Mogasi: Bei welchen Einsätzen hat man das beste Gefühl?

Oberladstätter: Vor einem Einsatz: wenn man mit keinen unvorhergesehenen Schwierigkeiten rechnet. Nach einem Einsatz: wenn unvorhergesehene Schwierigkeiten gut bewältigt wurden und man helfen konnte.

Mogasi: Wenn Personen bspw. in einer Lawine verschüttet sind, wie ist da die Gefühlslage als Retter, weil man ja nur hoffen kann, dass man noch lebende Personen findet?

Oberladstätter: Eine Lawine ist immer eine enorme Stresssituation für jeden Bergretter. Die Gefühle kommen erst nach dem Einsatz. Während des Einsatzes „funktioniert“ man und arbeitet das eingelernte Rettungsschema ab.

Mogasi: Wie sieht die Betreuung für die Retter und Retterinnen nach einem Einsatz aus?

Oberladstätter: Wir gehen eigentlich selten direkt nach Hause, sondern besprechen das Erlebte und den Einsatzablauf immer miteinander (bei einem Bier). Das Gespräch mit der Familie ist nach tragischen Einsätzen auch sehr wichtig. Es steht uns aber auch die Hilfe des Krisen-Interventions-Teams zur Verfügung.

Mogasi: Wie ist die ehrenamtliche Funktion als Bergretter mit dem Berufsleben vereinbar? Wie schwierig ist die Funktion mit einer Fixanstellung zu vereinbaren?

Oberladstätter: Das ist stark abhängig vom Arbeitgeber und der Entfernung des Arbeitsplatzes. Die meisten Arbeitgeber sind sehr rücksichtsvoll. Als Selbständiger habe ich einen äußerst großzügigen Chef.

„Aber Vorsicht vor Selbstüberschätzung: eine gute Ausrüstung ersetzt noch lange keine mangelnden Kenntnisse.“ Philipp Oberladstätter

Mogasi: Gibt es genügend Jung-Bergretter, die sich dieser verantwortungsvollen Aufgabe stellen wollen?

Oberladstätter: In Alpbach herrscht reges Interesse an der Bergrettung und wir können zurzeit leider nicht alle Interessierten aufnehmen. Es gibt aber auch Ortsstellen mit Nachwuchsproblemen, die gerne unsere „Probleme“ hätten.

Mogasi: Sind es öfter Touristen oder Einheimische, die Einsätze auslösen?

Oberladstätter: Gefühlmäßig sind es mehr Touristen.

Mogasi: Wie teilen sich die Einsätze auf die Jahreszeiten auf?

Oberladstätter: Alpbach ist ein Skitouren-Eldorado mit vielen Wintereinsätzen. In klassischen Klettergebieten wie z.B. dem Wilden Kaiser ist es im Winter ruhiger. Dafür muss man an jedem schönen Sommertag mit Einsätzen rechnen.

Mogasi: Was sollten Menschen beherzigen, die in den Bergen unterwegs sind (Sommer wie Winter)?

Oberladstätter: Man hört immer wieder, wie wichtig gute Tourenplanung und ordentliche Ausrüstung sind. Aber Vorsicht vor Selbstüberschätzung: eine gute Ausrüstung ersetzt noch lange keine mangelnden Kenntnisse.

Mogasi: Viele Bergretter riskieren ihr Leben im Einsatz. Wie werden in der Hektik eines Einsatzes die Gefahren für die Retter reduziert? Wann muss abgebrochen werden?

Oberladstätter: Als Bergretter ist die „Selbstsicherung“ eines der ersten Dinge, die man lernt. Bei Einsätzen in Gefahrenzonen (Steinschlaggebiete und Lawinenhänge) werden Wachposten installiert. Und dann ist da noch der Einsatzleiter, der abbricht, wenn es zu gefährlich für uns wird.

Mogasi: Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen den Ortsstellen bzw. mit anderen Blaulichtorganisationen in Tirol aus?

Oberladstätter: Wir arbeiten laufend mit den anderen Blaulichtorganisationen und Nachbarortsstellen zusammen. Diese Zusammenarbeit wird auch regelmäßig trainiert und funktioniert echt super. Das schließt natürlich nicht aus, dass man sich ab und zu gegenseitig aufzwickt.

Mogasi: Welchen Stellenwert haben Bergretter in der Bevölkerung bzw. in den Gemeinden und der Gemeindepolitik?

Oberladstätter: Ich würde sagen einen sehr hohen und das wird auch auf allen Ebenen immer wieder betont.

Mogasi: Ein Bergretter kommt selten allein, wie wichtig ist die Kameradschaft?

Oberladstätter: Bergrettung ist Mannschaftssport – der Einzelkämpfer verliert.

Mogasi: Wie sieht die Finanzierung der Ortstelle bzw. der Bergrettung generell aus?

Oberladstätter: In erster Linie über unsere Einsätze. Deshalb empfehle ich allen Alpinisten und Schwammerlsuchern einen ordentlichen Versicherungsschutz. Unsere Aufwendungen können damit aber trotz unserer Ehrenamtlichkeit bei Weitem nicht gedeckt werden. Daher hängt die Bergrettung auch stark von privaten Förderern und öffentlichen Zuwendungen ab.

Mogasi: Wie kann man die Bergrettung unterstützen?

Oberladstätter: Du kannst Bergrettungs-Förderer werden. Das Basispaket kostet 24 EUR jährlich und beinhaltet Bergekostenschutz für die ganze Familie. Mehr dazu auf Bergrettung.tirol

Mogasi: Welche Ausrüstung benötigt jeder Bergretter und wie viel davon wird zur Verfügung gestellt?

Oberladstätter: Unsere Ausrüstung ist extrem umfangreich und reicht von der Schitourenausrüstung inkl. LVS-Set über Kletterutensilien bis hin zur Hochtourenausstattung. Diese sogenannte Mannausrüstung muss jeder Bergretter selber kaufen und kostet sicher mehrere tausend Euro. Zur Verfügung gestellt werden uns z.B. Bergegeräte, Sanitätsausrüstung, Funkgeräte, Fahrzeuge und ähnliches.





 



 

 

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